Historisches Kirche
Baugeschichte der Kirche Neuenegg
* Im 11. Jahrhundert entsteht ein kleinerer Kirchenbau, dessen Fundamente sich unter unserer Kirche befinden, mit einem wuchtigen Turm im Westen. Neuenegg befand sich im umstrittenen und unruhigen Grenzgebiet zwischen burgundischer (welscher) und alemannischer (deutscher) Besiedlung.
* 1228 wird die Kirche von Neuenegg erstmals urkundlich erwähnt.
* Um 1300 entsteht das heutige Kirchenschiff. Mächtige Mauern, gefüllt mit Sensegestein.
* 1452 Neubau des heutigen gotischen Chors. Kurz danach Einbau des Sakraments-Schränkleins in die Chorwand.
* Im 15. Jahrhundert entstand vermutlich auch der Taufstein, genauere Datierung unmöglich.
* 1512 Bau des Kirchturmes aus Tuff-Steinen.
* 1516 Die vier Fensterscheiben rechts oben im Chor entstehen (Heiliger Vinzenz, Bern, Freiburg, Komturwappen von Fridingen).
* Zwischen 1657 und 1668 entstanden Friedhofmauer (Datum im runden Torbogen), gewölbte Schiffdecke, Kanzel, Portlaube.
* 1778 erstmals Einbau einer Orgel, der Orgelprospekt von damals ist heute noch original erhalten.
* 1920 Schützenscheibe und 1924 Scheibe der Nachbar-Kirchgemeinden.
* 1939 Zentrales Mittelfenster „Kreuzigung Christi“ nach Johannes-Evangelium.
* 1958 Verlängerung der Kirche um 3 Meter nach Westen, flache Chordecke.
* 1995 Innenrenovation, 4 neue Fenster im Kirchenschiff.
Chor der Kirche Neuenegg
Dem flüchtigen Betrachter fällt es vielleicht gar nicht auf – aber beim genaueren Hinsehen und auch auf dem Foto wird es klar, dass der Chor unserer Kirche vom Schiff deutlich abgehoben ist. Er ist etwas schmaler und vor allem deutlich höher. Das ist nicht nur hier in Neuenegg so, sondern bei vielen mittelalterlichen Kirchen der Fall. Der Grund liegt in den damaligen verschiedenen Besitzverhältnissen.
Unser Kirchenschiff erhielt seine heutige Form im Wesentlichen im frühen 14. Jahrhundert, etwa zur Zeit der Laupenkriege. Das Geld für eine grosse Kirchenerneuerung (und um eine solche ging es, denn unsere heutige Kirche wurde auf den Fundamenten von Vorgängerbauten errichtet, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichten) aufzubringen, war damals nicht einfach. So halfen verschiedene Geldgeber mit: der Bischof von Lausanne, die weltliche Berner Herrschaft, aber auch die Einwohner der Kirchengebiete (sogenannte Feuerstätten), die damals auch noch Laupen und freiburgisches Gebiet umfassten. Entstanden ist so ein schlichtes, schönes, erdverbundenes Kirchenschiff mit dicken Mauern, in wendig gefüllt mit Sensegestein (die vier Fenster wurden erst viel später in der heutigen Form herausgebrochen).
Über den Bau des Chors wissen wir wesentlich mehr und Genaueres.
Hier ist auch klar, wer der Bauherr war. Bauherren waren die Deutschritter der Komturei in Köniz. Der Deutschritterorden, der zur Zeit der Kreuzzüge in Akkon im Heiligen land gegründet worden war, verfügte auch in Europa durch Schenkungen im Verlauf der Zeit über grosse Ländereien, die nach der Vertreibung der Kreuzritter aus Israel noch vergrössert wurden. Im Jahr 1226 schenkte der deutsche Kaiser Freidrich II. den Deutschrittern die
Komturei Köniz mit grossem Landbesitz und verschiedenen Kirchenrechten. So kamen die Deutschherren auch zum Kirchensatz von Neuenegg, d.h., sie verfügten über das Kirchenland und das Recht, hier den Priester einzusetzen, unter Vorbehalt der Zustimmung des Bischofs von Lausanne. Die Priester setzten sie jeweils aus den eigenen Reihen ein, verfügte doch der Orden neben den Rittern auch über Priester. Dieses Kirchenrecht in Neuenegg verpflichtete sie, zum Chor der Kirche zu schauen.
In den Jahren 1452/53 haben sie den Chor in seiner jetzigen, gotischen Form gebaut und dabei nicht gespart, sondern ein dauerndes Werk geschaffen. Der Chor ist aus einem Guss mit seinen hochgotischen Spitzbogenfenstern mit schönem Masswerk und dem halbrunden Chorbogen als Abschluss; ein wirklich gelungenes Werk in Höhe und Harmonie. Einzig die Chortüre nach Süden wurde erst anfangs des 20. Jahrhunderts herausgebrochen.
So verfügen wir in Neuenegg dank der Grosszügigkeit und dem internationalen Stilempfinden der Deutschritter über einen ausserordentlichen schönen Chor. Die Chöre der alten Kirchen im Bernerland blieben übrigens noch lange im Besitz der Herrschaft, d.h., dass sie nach der Reformation dem Stande Bern gehörten. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts wurden sie nach und nach den Kirchgemeinden geschenkt. Heute ist die Kirchgemeinde Neuenegg grundbuchmässige Besitzerin der ganzen Kirche und auch des Bodens bis zur Umfassungsmauer.

Die Kanzel
Müsste man das Alter unserer Kanzel erraten, wäre das wohl eine schwierige Aufgabe. Die Antwort lautet: sie ist knapp 350-jährig.
Um 1660 fand in und um die Kirche von Neuenegg ein grosser Erweiterungsschritt statt. Damals entstand die Kirchmauer um den alten (vor einigen Jahren aufgehobenen) Friedhof. Am Eingangsbogen auf der Unterseite der Mauer finden wir noch die Jahrzahl 1657 (ev. 1654). Ebenfalls in dieser Zeit wurde das Kirchengewölbe über dem Schiff erneuert und das bis heute bestehende halbrunde Tonnengewölbe eingebaut – der Dachstuhl über dem Schiff trägt die Jahrzahl 1668. Vermutlich erhielt die Kirche damals auch die Portlaube, denn in den Chorgerichtssitzungen der folgenden Jahre wird sie mehrmals erwähnt, vorher nicht.
In der Zeit dieser Erneuerung wurde auch die Kanzel geschaffen, ein Meisterwerk der Holzschnittkunst. Bis um ca. 1900 war auf einem der Rechtecke unten an der Kanzel noch die Jahrzahl der Entstehung aufgemalt, nämlich 1660, möglicherweise auch 1662 oder 1668 (gemäss Dr. H. Michel im Achetringeler von 1961). Die ungefähre Entstehungszeit wissen wir also, über den Kunsthandwerker, der sie schuf, wissen wir eigentlich nichts seriöses, ausser der Legende, dass er von Brienz gekommen sein soll. Eines hingegen ist gewiss, dass der gleiche Meister auch in Laupen tätig war und die dortige Kanzel auch seiner Kunst zu verdanken ist. Ein Vergleich der beiden Kanzeln zeigt das deutlich, bis in die Details der einzelnen Zier-Ornamente hinein. Stilmässig ist sein Werk mit den klaren, massvollen Konturen noch der Spät-Renaissance zuzuordnen.
Ein schöner Gedanke ist es auch, dass er für die Kanzel Holz von einer der vielen Eichen genommen haben könnte, wie sie früher im Forst oben noch viel häufiger waren. Auf jeden Fall ist es dem harten und zeitbeständigen Eichenholz zu verdanken, dass die Kanzel nach fast 350 Jahren immer noch frisch und kraftvoll wirkt.
Das Sakramentshäuschen
Vorne links im Chor unserer Kirche befindet sich, eingerahmt von sorgfältiger Steinhauerarbeit und mit einem vergoldeten Gitter abgeschlossen, ein kleines Schränklein.
Unter den Reformierten werden wohl nur wenige wissen, was seine Funktion einmal war, während Katholiken diese Frage sicher beantworten können.
Hier wurde vor der Reformation – sie fand im Bernischen Herrschaftsgebiet 1528 statt – nach einem Abendmahl (der Messe), das nicht verteilte Brot aufbewahrt (in der Form von runden Oblaten, wie sie in der katholischen Messe noch heute verwendet werden). Da dieses nach der vorreformatorischen Vorstellung den Leib des Herrn, also den Leib Jesu darstellte, befand sich in diesem Schränklein das Allerheiligste, das Sakrament. In katholischen Kirchen ist das bis heute Praxis.
Das Sakraments-Häuschen hatte deshalb innerhalb der Kirche eine sehr zentrale Funktion und war entsprechend wichtig. Aus den Quellen wissen wir recht gut Bescheid über seine Entstehung. Im Jahr 1453 inspizierten die Abgesandten des Bischofs von Lausanne, der für Neuenegg zuständig war, unsere Kirche und beanstandeten das Fehlen dieses Häuschens und forderten seinen sofortigen Einbau. Sorgfältig und qualitätsbewusst haben unsere Vorfahren den Mangel behoben. Über Steinhauer und Kunsthandwerker wissen wir nichts und kennen keinen Namen. Aber mit grossem Gefühl für Stil und Material haben sie das Schränklein geschaffen, mit dem Haupt Jesu über den als seinen Leib verstandenen Oblaten im Wandinnern, mit den beiden Engeln mit Bändern darüber und den schönen und kraftvollen Simsen und Abschlüssen darum herum. Das Gitter gestalten sie ebenfalls kostbar und mit einer Möglichkeit zur Verriegelung. Denn es bestand im Mittelalter die Gefahr, dass die geweihten Oblaten zu allerhand Zauberkünsten gestohlen wurden.
Seit der Reformation hat das Schränklein keine direkte Funktion mehr, es wurde aber durch all die Jahrhunderte hindurch beibehalten, aus Respekt vor der Tradition und wohl auch wegen seiner Ausstrahlung. So bildet es ein Zeugnis der reichen und vielfältigen Geschichte unserer Kirche, die mit periodischen massiven baulichen Veränderungen schon fast 1000 Jahre lang auf der Nüweneck über dem Sensetal steht.
Denn nur der Platz, auf dem unsere Kirche steht, trug ursprünglich den Namen Nüweneck (Neuenegg), der sich dann im Verlauf der Zeit auf die ganze Gemeinde übertragen hat.


Der Taufstein
Der Taufstein steht an zentraler Stelle in unserer Kirche, mitten im Chor. In seinem oberen Teil ist er aus einem einzigen Kalksteinblock herausgehauen, das gibt ihm einerseits eine gewisse Wucht, daneben wirkt er in seinen schlichten Proportionen trotzdem sehr harmonisch. Über den Künstler, der ihn geschaffen hat, wissen wir nichts; einzig im Steinmetzzeichen (auf dem Foto oben in der Mitte gut sichtbar), hat er seine Spur hinterlassen. Nach den spärlichen Quellen ist der Stein wahrscheinlich knapp vorreformatorisch, also ungefähr um 1500 entstanden. Das bedeutet, dass er sicher einen Standortwechsel hinter sich hat, denn in der katholischen Zeit stand mitten im Chor der Kirche der Altar, das wissen wir aus den Visitationsberichten für den Bischof von Lausanne.
Der Taufstein stand ursprünglich vermutlich im Eingangsbereich der Kirche. Nach der Reformation erhielt er seinen jetzigen, zentralen Platz. Interessant ist in diesem Zusammenhang, das kurz danach in auch mit der Führung der Taufrödel angefangen ist. Seit 1555 bestehen diese Eintragungen über alle in unserer Kirche vollzogenen Taufen und wurden bisher oft zur Familienforschung benützt. Die älteren Rödel befinden sich im Staatsarchiv in Bern, die jüngeren werden in der Kirchgemeinde aufbewahrt. Der Stein wirkt wie gesagt schlicht, kompakt und hat nur sehr wenig Verzierungen, im Vergleich zu anderen Taufsteinen, die teilweise viel feiner verziert sind und aus „edleren“ Steinen herausgehauen. Aber sein Schöpfer und die Auftraggeber müssen sich trotzdem einiges gedacht haben. Wenn wir ihn betrachten sehen wir, dass er unten viereckig ist, dann achteckig, darauf rund, dann kommt der achteckige Kelch und oben ist er wieder rund. Es sind dies Proportionen, die man im Spätmittelalter mit seiner Lust an Zahlen-Symbolik und Formen auf mannigfaltige Weise zu deuten wusste als fundamentale Stabilität, harmonischer Geborgenheit und ewige Verbundenheit. Schön ist es, wenn wir das auch heute noch bei seinem Anblick verspüren.
Erläuterung zu den 3 Wappenscheiben:
Es handelt sich links um die Abbildung des heiligen Vinzenz und in der Mitte um eine Berner Wappenscheibe mit Reichsadler. Glücklicherweise fällt ihre Datierung leicht, weil die Freiburger Wappenscheiben rechts neben dem Berner Wappen mit der Jahrzahl 1516 datiert ist. Kunsthistorische Vergleiche lassen vermuten, dass diese bald 500-jährigen Glasfenster aus der Werkstatt des bekannten Berner Künstlers Niklaus Manuel stammen.
Beim heiligen Vinzenz handelte es sich um den alten Schutzheiligen von Bern. Er war ein spanischer Bischof und Märtyrer, und bereits der Vorgängerbau des Berner Münsters, die alte Leutkirche, war ihm geweiht gewesen. Als dann die Berner Obrigkeit ab 1421 das neue, mächtige Münster zu bauen begann, wollte man auch unbedingt eine gute und dem Rang der neuen Kirche entsprechende Reliquie des Schutzheiligen haben. So hat dann 1463 ein Magister Johannes Bäli im Auftrag der Berner das Haupt des heiligen Vinzenz in der Kölner Lorenzkirche gestohlen.
Nachdem die Reliquie erfolgreich und sicher in Bern angekommen war, und die Burgunderkriege als Heilsbestätigung gewonnen, nahm die Vinzenz-Verehrung im ganzen Standesgebiet von Bern nochmals zu, und auch in verschiedenen Landkirchen wurden Vinzenzscheiben angebracht – so auch in Neuenegg. Seine beiden Kennzeichen, der Palmwedel und das Evangelium, zeigen uns seine südliche Herkunft und seine Treue zum Evangelium, um dessentwillen er Martyrium und Tod auf sich nahm.
Auch das Berner Wappen ist interessant. Die Reichsadler zeigen uns an, dass sich Bern 1516 noch als Teil des Deutschen Reichsverbandes betrachtete. Faktisch machte man zwar mehr oder weniger was man wollte, aber nomineller Oberherr war immer noch der Kaiser. Auch bei dieser Scheibe sind die Details sehr sorgfältig gearbeitet. Oben links und rechts sehen wir zwei Bären mit Pfeife und Trommel, den damaligen Begleitinstrumenten bei Kriegszügen. Dass sich das alte Bern gerne als wehrhaften Staatsverband darstellte, zeigen auch die beiden Löwen, welche die Wappen umgeben und der Helm unter dem oberen Adler. Dass auch das Freiburger Wappen in unserer Kirche zu finden ist, zeigt an, dass vor der Reformation auch noch Teile aus dem heutigen Kanton Freiburg zur Kirchgemeinde Neuenegg gehörten. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fühlten sich die seit der Religionsfreiheit immer häufigeren Reformierten im freiburgischen mit Neuenegg verbunden und wurden auch hier konfirmiert.
Was bei einer fotographischen Abbildung nur sehr begrenzt zur Geltung kommt, sind die prächtigen Farben, welche bei einem Glasfenster ganz wesentlich sind. Links das kräftige und sich verändernde Rot beim Mantel des Heiligen, und beim Berner Wappen das tiefe Goldgelb der Löwen, um nur zwei Beispiele der intensiven Farbwirkung zu erwähnen. Es lohnt sich unbedingt, die Glasscheiben wieder einmal gründlich in der Kirche anzuschauen.
Baugeschichte der Kirche Neuenegg
* Im 11. Jahrhundert entsteht ein kleinerer Kirchenbau, dessen Fundamente sich unter unserer Kirche befinden, mit einem wuchtigen Turm im Westen. Neuenegg befand sich im umstrittenen und unruhigen Grenzgebiet zwischen burgundischer (welscher) und alemannischer (deutscher) Besiedlung.
* 1228 wird die Kirche von Neuenegg erstmals urkundlich erwähnt.
* Um 1300 entsteht das heutige Kirchenschiff. Mächtige Mauern, gefüllt mit Sensegestein.
* 1452 Neubau des heutigen gotischen Chors. Kurz danach Einbau des Sakraments-Schränkleins in die Chorwand.
* Im 15. Jahrhundert entstand vermutlich auch der Taufstein, genauere Datierung unmöglich.
* 1512 Bau des Kirchturmes aus Tuff-Steinen.
* 1516 Die vier Fensterscheiben rechts oben im Chor entstehen (Heiliger Vinzenz, Bern, Freiburg, Komturwappen von Fridingen).
* Zwischen 1657 und 1668 entstanden Friedhofmauer (Datum im runden Torbogen), gewölbte Schiffdecke, Kanzel, Portlaube.
* 1778 erstmals Einbau einer Orgel, der Orgelprospekt von damals ist heute noch original erhalten.
* 1920 Schützenscheibe und 1924 Scheibe der Nachbar-Kirchgemeinden.
* 1939 Zentrales Mittelfenster „Kreuzigung Christi“ nach Johannes-Evangelium.
* 1958 Verlängerung der Kirche um 3 Meter nach Westen, flache Chordecke.
* 1995 Innenrenovation, 4 neue Fenster im Kirchenschiff.
Chor der Kirche Neuenegg
Dem flüchtigen Betrachter fällt es vielleicht gar nicht auf – aber beim genaueren Hinsehen und auch auf dem Foto wird es klar, dass der Chor unserer Kirche vom Schiff deutlich abgehoben ist. Er ist etwas schmaler und vor allem deutlich höher. Das ist nicht nur hier in Neuenegg so, sondern bei vielen mittelalterlichen Kirchen der Fall. Der Grund liegt in den damaligen verschiedenen Besitzverhältnissen.
Unser Kirchenschiff erhielt seine heutige Form im Wesentlichen im frühen 14. Jahrhundert, etwa zur Zeit der Laupenkriege. Das Geld für eine grosse Kirchenerneuerung (und um eine solche ging es, denn unsere heutige Kirche wurde auf den Fundamenten von Vorgängerbauten errichtet, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichten) aufzubringen, war damals nicht einfach. So halfen verschiedene Geldgeber mit: der Bischof von Lausanne, die weltliche Berner Herrschaft, aber auch die Einwohner der Kirchengebiete (sogenannte Feuerstätten), die damals auch noch Laupen und freiburgisches Gebiet umfassten. Entstanden ist so ein schlichtes, schönes, erdverbundenes Kirchenschiff mit dicken Mauern, in wendig gefüllt mit Sensegestein (die vier Fenster wurden erst viel später in der heutigen Form herausgebrochen).
Über den Bau des Chors wissen wir wesentlich mehr und Genaueres.
Hier ist auch klar, wer der Bauherr war. Bauherren waren die Deutschritter der Komturei in Köniz. Der Deutschritterorden, der zur Zeit der Kreuzzüge in Akkon im Heiligen land gegründet worden war, verfügte auch in Europa durch Schenkungen im Verlauf der Zeit über grosse Ländereien, die nach der Vertreibung der Kreuzritter aus Israel noch vergrössert wurden. Im Jahr 1226 schenkte der deutsche Kaiser Freidrich II. den Deutschrittern die
Komturei Köniz mit grossem Landbesitz und verschiedenen Kirchenrechten. So kamen die Deutschherren auch zum Kirchensatz von Neuenegg, d.h., sie verfügten über das Kirchenland und das Recht, hier den Priester einzusetzen, unter Vorbehalt der Zustimmung des Bischofs von Lausanne. Die Priester setzten sie jeweils aus den eigenen Reihen ein, verfügte doch der Orden neben den Rittern auch über Priester. Dieses Kirchenrecht in Neuenegg verpflichtete sie, zum Chor der Kirche zu schauen.
In den Jahren 1452/53 haben sie den Chor in seiner jetzigen, gotischen Form gebaut und dabei nicht gespart, sondern ein dauerndes Werk geschaffen. Der Chor ist aus einem Guss mit seinen hochgotischen Spitzbogenfenstern mit schönem Masswerk und dem halbrunden Chorbogen als Abschluss; ein wirklich gelungenes Werk in Höhe und Harmonie. Einzig die Chortüre nach Süden wurde erst anfangs des 20. Jahrhunderts herausgebrochen.
So verfügen wir in Neuenegg dank der Grosszügigkeit und dem internationalen Stilempfinden der Deutschritter über einen ausserordentlichen schönen Chor. Die Chöre der alten Kirchen im Bernerland blieben übrigens noch lange im Besitz der Herrschaft, d.h., dass sie nach der Reformation dem Stande Bern gehörten. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts wurden sie nach und nach den Kirchgemeinden geschenkt. Heute ist die Kirchgemeinde Neuenegg grundbuchmässige Besitzerin der ganzen Kirche und auch des Bodens bis zur Umfassungsmauer.
Die Kanzel
Müsste man das Alter unserer Kanzel erraten, wäre das wohl eine schwierige Aufgabe. Die Antwort lautet: sie ist knapp 350-jährig.
Um 1660 fand in und um die Kirche von Neuenegg ein grosser Erweiterungsschritt statt. Damals entstand die Kirchmauer um den alten (vor einigen Jahren aufgehobenen) Friedhof. Am Eingangsbogen auf der Unterseite der Mauer finden wir noch die Jahrzahl 1657 (ev. 1654). Ebenfalls in dieser Zeit wurde das Kirchengewölbe über dem Schiff erneuert und das bis heute bestehende halbrunde Tonnengewölbe eingebaut – der Dachstuhl über dem Schiff trägt die Jahrzahl 1668. Vermutlich erhielt die Kirche damals auch die Portlaube, denn in den Chorgerichtssitzungen der folgenden Jahre wird sie mehrmals erwähnt, vorher nicht.
In der Zeit dieser Erneuerung wurde auch die Kanzel geschaffen, ein Meisterwerk der Holzschnittkunst. Bis um ca. 1900 war auf einem der Rechtecke unten an der Kanzel noch die Jahrzahl der Entstehung aufgemalt, nämlich 1660, möglicherweise auch 1662 oder 1668 (gemäss Dr. H. Michel im Achetringeler von 1961). Die ungefähre Entstehungszeit wissen wir also, über den Kunsthandwerker, der sie schuf, wissen wir eigentlich nichts seriöses, ausser der Legende, dass er von Brienz gekommen sein soll. Eines hingegen ist gewiss, dass der gleiche Meister auch in Laupen tätig war und die dortige Kanzel auch seiner Kunst zu verdanken ist. Ein Vergleich der beiden Kanzeln zeigt das deutlich, bis in die Details der einzelnen Zier-Ornamente hinein. Stilmässig ist sein Werk mit den klaren, massvollen Konturen noch der Spät-Renaissance zuzuordnen.
Ein schöner Gedanke ist es auch, dass er für die Kanzel Holz von einer der vielen Eichen genommen haben könnte, wie sie früher im Forst oben noch viel häufiger waren. Auf jeden Fall ist es dem harten und zeitbeständigen Eichenholz zu verdanken, dass die Kanzel nach fast 350 Jahren immer noch frisch und kraftvoll wirkt.

Das Sakramentshäuschen
Vorne links im Chor unserer Kirche befindet sich, eingerahmt von sorgfältiger Steinhauerarbeit und mit einem vergoldeten Gitter abgeschlossen, ein kleines Schränklein.
Unter den Reformierten werden wohl nur wenige wissen, was seine Funktion einmal war, während Katholiken diese Frage sicher beantworten können.
Hier wurde vor der Reformation – sie fand im Bernischen Herrschaftsgebiet 1528 statt – nach einem Abendmahl (der Messe), das nicht verteilte Brot aufbewahrt (in der Form von runden Oblaten, wie sie in der katholischen Messe noch heute verwendet werden). Da dieses nach der vorreformatorischen Vorstellung den Leib des Herrn, also den Leib Jesu darstellte, befand sich in diesem Schränklein das Allerheiligste, das Sakrament. In katholischen Kirchen ist das bis heute Praxis.
Das Sakraments-Häuschen hatte deshalb innerhalb der Kirche eine sehr zentrale Funktion und war entsprechend wichtig. Aus den Quellen wissen wir recht gut Bescheid über seine Entstehung. Im Jahr 1453 inspizierten die Abgesandten des Bischofs von Lausanne, der für Neuenegg zuständig war, unsere Kirche und beanstandeten das Fehlen dieses Häuschens und forderten seinen sofortigen Einbau. Sorgfältig und qualitätsbewusst haben unsere Vorfahren den Mangel behoben. Über Steinhauer und Kunsthandwerker wissen wir nichts und kennen keinen Namen. Aber mit grossem Gefühl für Stil und Material haben sie das Schränklein geschaffen, mit dem Haupt Jesu über den als seinen Leib verstandenen Oblaten im Wandinnern, mit den beiden Engeln mit Bändern darüber und den schönen und kraftvollen Simsen und Abschlüssen darum herum. Das Gitter gestalten sie ebenfalls kostbar und mit einer Möglichkeit zur Verriegelung. Denn es bestand im Mittelalter die Gefahr, dass die geweihten Oblaten zu allerhand Zauberkünsten gestohlen wurden.
Seit der Reformation hat das Schränklein keine direkte Funktion mehr, es wurde aber durch all die Jahrhunderte hindurch beibehalten, aus Respekt vor der Tradition und wohl auch wegen seiner Ausstrahlung. So bildet es ein Zeugnis der reichen und vielfältigen Geschichte unserer Kirche, die mit periodischen massiven baulichen Veränderungen schon fast 1000 Jahre lang auf der Nüweneck über dem Sensetal steht.
Denn nur der Platz, auf dem unsere Kirche steht, trug ursprünglich den Namen Nüweneck (Neuenegg), der sich dann im Verlauf der Zeit auf die ganze Gemeinde übertragen hat.

Der Taufstein
Der Taufstein steht an zentraler Stelle in unserer Kirche, mitten im Chor. In seinem oberen Teil ist er aus einem einzigen Kalksteinblock herausgehauen, das gibt ihm einerseits eine gewisse Wucht, daneben wirkt er in seinen schlichten Proportionen trotzdem sehr harmonisch. Über den Künstler, der ihn geschaffen hat, wissen wir nichts; einzig im Steinmetzzeichen (auf dem Foto oben in der Mitte gut sichtbar), hat er seine Spur hinterlassen. Nach den spärlichen Quellen ist der Stein wahrscheinlich knapp vorreformatorisch, also ungefähr um 1500 entstanden. Das bedeutet, dass er sicher einen Standortwechsel hinter sich hat, denn in der katholischen Zeit stand mitten im Chor der Kirche der Altar, das wissen wir aus den Visitationsberichten für den Bischof von Lausanne.
Der Taufstein stand ursprünglich vermutlich im Eingangsbereich der Kirche. Nach der Reformation erhielt er seinen jetzigen, zentralen Platz. Interessant ist in diesem Zusammenhang, das kurz danach in auch mit der Führung der Taufrödel angefangen ist. Seit 1555 bestehen diese Eintragungen über alle in unserer Kirche vollzogenen Taufen und wurden bisher oft zur Familienforschung benützt. Die älteren Rödel befinden sich im Staatsarchiv in Bern, die jüngeren werden in der Kirchgemeinde aufbewahrt. Der Stein wirkt wie gesagt schlicht, kompakt und hat nur sehr wenig Verzierungen, im Vergleich zu anderen Taufsteinen, die teilweise viel feiner verziert sind und aus „edleren“ Steinen herausgehauen. Aber sein Schöpfer und die Auftraggeber müssen sich trotzdem einiges gedacht haben. Wenn wir ihn betrachten sehen wir, dass er unten viereckig ist, dann achteckig, darauf rund, dann kommt der achteckige Kelch und oben ist er wieder rund. Es sind dies Proportionen, die man im Spätmittelalter mit seiner Lust an Zahlen-Symbolik und Formen auf mannigfaltige Weise zu deuten wusste als fundamentale Stabilität, harmonischer Geborgenheit und ewige Verbundenheit. Schön ist es, wenn wir das auch heute noch bei seinem Anblick verspüren.

Erläuterung zu den 3 Wappenscheiben:
Es handelt sich links um die Abbildung des heiligen Vinzenz und in der Mitte um eine Berner Wappenscheibe mit Reichsadler. Glücklicherweise fällt ihre Datierung leicht, weil die Freiburger Wappenscheiben rechts neben dem Berner Wappen mit der Jahrzahl 1516 datiert ist. Kunsthistorische Vergleiche lassen vermuten, dass diese bald 500-jährigen Glasfenster aus der Werkstatt des bekannten Berner Künstlers Niklaus Manuel stammen.
Beim heiligen Vinzenz handelte es sich um den alten Schutzheiligen von Bern. Er war ein spanischer Bischof und Märtyrer, und bereits der Vorgängerbau des Berner Münsters, die alte Leutkirche, war ihm geweiht gewesen. Als dann die Berner Obrigkeit ab 1421 das neue, mächtige Münster zu bauen begann, wollte man auch unbedingt eine gute und dem Rang der neuen Kirche entsprechende Reliquie des Schutzheiligen haben. So hat dann 1463 ein Magister Johannes Bäli im Auftrag der Berner das Haupt des heiligen Vinzenz in der Kölner Lorenzkirche gestohlen.
Nachdem die Reliquie erfolgreich und sicher in Bern angekommen war, und die Burgunderkriege als Heilsbestätigung gewonnen, nahm die Vinzenz-Verehrung im ganzen Standesgebiet von Bern nochmals zu, und auch in verschiedenen Landkirchen wurden Vinzenzscheiben angebracht – so auch in Neuenegg. Seine beiden Kennzeichen, der Palmwedel und das Evangelium, zeigen uns seine südliche Herkunft und seine Treue zum Evangelium, um dessentwillen er Martyrium und Tod auf sich nahm.
Auch das Berner Wappen ist interessant. Die Reichsadler zeigen uns an, dass sich Bern 1516 noch als Teil des Deutschen Reichsverbandes betrachtete. Faktisch machte man zwar mehr oder weniger was man wollte, aber nomineller Oberherr war immer noch der Kaiser. Auch bei dieser Scheibe sind die Details sehr sorgfältig gearbeitet. Oben links und rechts sehen wir zwei Bären mit Pfeife und Trommel, den damaligen Begleitinstrumenten bei Kriegszügen. Dass sich das alte Bern gerne als wehrhaften Staatsverband darstellte, zeigen auch die beiden Löwen, welche die Wappen umgeben und der Helm unter dem oberen Adler. Dass auch das Freiburger Wappen in unserer Kirche zu finden ist, zeigt an, dass vor der Reformation auch noch Teile aus dem heutigen Kanton Freiburg zur Kirchgemeinde Neuenegg gehörten. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fühlten sich die seit der Religionsfreiheit immer häufigeren Reformierten im freiburgischen mit Neuenegg verbunden und wurden auch hier konfirmiert.
Was bei einer fotographischen Abbildung nur sehr begrenzt zur Geltung kommt, sind die prächtigen Farben, welche bei einem Glasfenster ganz wesentlich sind. Links das kräftige und sich verändernde Rot beim Mantel des Heiligen, und beim Berner Wappen das tiefe Goldgelb der Löwen, um nur zwei Beispiele der intensiven Farbwirkung zu erwähnen. Es lohnt sich unbedingt, die Glasscheiben wieder einmal gründlich in der Kirche anzuschauen.